„Wir sehen eine Überbelastung“ – Dr. Dinic über die körperlichen und mentalen Herausforderungen bei der Club-WM

Club-WM statt Fußballpause: Eigentlich hätten die Bayern- und Dortmund-Spieler derzeit frei. Durch die Club-WM müssen sie diesen Sommer aber durchspielen. Wie schafft man es, die Spieler zu schützen? Wie beeinflusst der Reisestress die Gesundheit? Drohen im nächsten Jahr mehr Verletzungen? Diese und weitere Fragen beantwortete Dr. Milan Dinic, Internist, Kardiologe und Experte für Sport- und Stressmedizin im Interview mit der Sportredaktion von Münchner Merkur und tz, veröffentlicht am 11.06.2025. Lesen Sie hier das ausführliche Interview.

Der FC Bayern reist zur Club-WM in die USA, davor stehen für die Nationalspieler außerdem die Final-Four-Spiele der Nations League an. Eine Pause ist kaum in Sicht – wann wird die Belastung zu viel?

Dr. Dinic: „Permanente körperliche Anstrengung in Kombination mit permanentem Leistungsdruck hinterlässt Spuren. Die Spieler müssen weiterhin abliefern, werden unentwegt beobachtet und bewertet. Selbst 45 Stunden Ibiza vergönnten ihnen viele Mitte Mai nicht. Dabei kann gerade so ein Herauskommen aus dem Alltag neue Energie geben. Mit Dauer-Stress können die einen besser umgehen, die anderen schlechter. Die schlafen dann nicht gut ein oder nicht gut durch, sind gereizt, haben Kopfschmerzen, sind erschöpft. Regeneration wird vielfach unterschätzt, das erlebe ich in der Sport- und Stressmedizin häufig, bei Managern wie auch bei Sportlern. Bei Fußballprofis denken Verantwortliche und Fans, die halten das schon aus. Das sei eben ihr Job und sie werden ja sehr gut bezahlt. Aber diese sehr lange Belastung ist eine Herausforderung – Punkt. Die vielen Spieltermine sind nun, wie sie sind. Ich wünsche den Spielern, dass sie bei der Club-WM möglichst weit kommen. Im Sinne der langfristigen physischen und psychischen Gesundheit sollten sie zwischen den Trainings und Spielen auf möglichst viel Regeneration, ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung und viel Schlaf setzen.“

Was sind die Gefahren bei solch langen Saisons? Schließlich war letzten Sommer die EM, normalerweise hätte es dieses Jahr eine Sommerpause gegeben, bevor nächstes Jahr im Sommer schon wieder die WM ko

Dr. Dinic: „Bei solch langen Saisons mit kaum Erholungspausen sprechen wir von einer Überbelastung für die Spieler. Wenn sie sich nicht mehr ausreichend regenerieren können, kommt es eher zu Leistungseinbrüchen und Verletzungen. Auch die psychische Gesundheit ist gefährdet. Ein Spiel mit der Nationalmannschaft oder bei der Club-WM ist eine mentale Extrembelastung. Während eines Turniers ist jedes Spiel wichtig, um weiterzukommen. Die Profis müssen unentwegt performen. Irgendwann, gerade nach einer langen Saison, sind sie aber am Anschlag, körperlich und mental. Da ist nun das Team um das Team besonders gefragt – Physiotherapeuten, Ärzte und Mentalcoaches –, um jeden Profi rund um Trainings und Spiele individuell optimal zu unterstützen.“

In den USA haben die Spieler einen vollen Terminkalender. Alle drei bis vier Tage kommt ein Spiel, davor steckt ein langer Flug in den Knochen. Erhöht sich das Verletzungsrisiko?

Dr. Dinic: „Sportler sind auch nur Menschen, keine Maschinen. Eine hohe körperliche Beanspruchung ohne genug Regeneration führt nicht nur zu einem verfrühten Verschleiß der Knie- und Sprunggelenke und der Sehnen, sondern erhöht auch die Gefahr von oft langwierigen Verletzungen. Durch die Club-WM nach der langen Bundesliga-Saison und für nicht wenige Spieler auch zusätzlich nach der Champions und der Nations League kommt es leichter zu zum Beispiel Muskel- und Bänderrissen, chronischen Problemen der Achilles- und der Patellasehne, Knochenödemen und Stressfrakturen.“

Wie schafft man es, die Spieler zu schützen?

Dr. Dinic: „Entscheidend ist es, neben der körperlichen auch die mentale Gesundheit zu fördern – und zwar individuell. Denn jeder Spieler hat eine andere Belastungstoleranz. Bei jedem sollte deshalb geschaut werden, mit welchen Maßnahmen man ihn schützen und unterstützen kann, damit er sich bestmöglich erholt. Da sind die Vereine in der Pflicht. Je besser die Prävention ist, umso besser steht es um die langfristige Gesundheit, Leistungsbereitschaft und Motivation. Die Gesundheit ist immer am Wichtigsten. Sie sollte immer über finanziellen Interessen stehen.“

Wie beeinflusst der Reisestress die Gesundheit? In den USA müssen die Spieler zu jedem Spiel fliegen, es geht von Orlando nach Miami, Charlotte, Cincinnati, Philadelphia, New Jersey…

Dr. Dinic: „Lange Reisen, inklusive Zeitverschiebungen, sind anstrengend und ermüdend und belasten den Körper zusätzlich. Ich würde Kompressionsstrümpfe empfehlen, um die Durchblutung in den Beinen zu fördern. Außerdem sollten die Spieler möglichst viel schlafen und viel Wasser trinken, um hydriert zu bleiben. Das ist besonders wichtig. Durch viel Flüssigkeit bleiben die Schleimhäute feucht. So sind die Spieler weniger anfällig für Erkältungen und andere Infekte. Bei Flügen sind Erkältungen immer ein Risiko, das man zumindest durch viel Trinken etwas abfedern kann.“

Hat das Klima in Florida einen Einfluss? Oder die Ernährung in den USA?

Dr. Dinic: „Im Juni und Juli hat es in Florida durchschnittlich 29 bis 32 Grad. Neben der Hitze erwartet die Spieler eine hohe Luftfeuchtigkeit und Schwüle, die sich in Gewittern entlädt. Das Wetter ist sicherlich eine weitere Herausforderung. Durch Schwitzen plus Klimaanlagen ist auch das Erkältungsrisiko erhöht. Zur Ernährung: Das ist sicherlich der einfachste Aspekt. Oft reist der FC Bayern ja mit eigenen Köchen. Daher hat der Verein die Ernährung selbst in der Hand. Während der Club-WM sollten die Spieler nicht zu Fast Food oder ähnlichem greifen – das macht unnötig träge. Aber das wissen die Profis.“

Nach der Club WM bleibt wenig Zeit, bis die neue Saison losgeht. Wie erholen sich die Spieler davor am besten: Möglichst viel entspannen oder sogar im Training bleiben?

Dr. Dinic: „Ganz unbedingt sollten sie in der kurzen Pause das machen, was sie entspannt und ihnen auch mental gut tut. Denn davon werden sie lange zehren können. Zwei oder drei Mal die Woche könnten sie ein leichtes Ausdauertraining wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren absolvieren, aber nur im Grundlagenbereich, um eine Erholung zu ermöglichen.“

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