Dr. Dinic in der Süddeutschen Zeitung zu Sport im Lockdown light
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 07./08.11.2020 empfiehlt Dr. Milan Dinic moderates Ausdauertraining und rät bei Krankheitssymptomen strikt von Sport ab. Aus urheberrechtlichen Gründen dürfen wir die Veröffentlichung auf der Praxis-Website nicht zeigen. Wie Sie Ihr Immunsystem stärken und was Freizeitsportler nach einer Covid-19-Infektion beachten sollten bevor sie wieder ins Training einsteigen, erklärt der Internist, Kardiologe und Sportmediziner auch auf der Website der BKK Mobil Oil sowie im Folgenden. Bei Fragen melden Sie sich gerne bei uns.
Fit und gesund durch die kalte Jahreszeit
Vor einer Infektion mit Covid-19 oder gar einer Doppel-Infektion mit Covid-19 und Influenza (Grippe) fürchten sich in diesem Herbst viele Menschen. Dabei kann durch einfache Änderungen im Lebensstil jeder dazu beitragen, seine Gesundheit und sein Immunsystem zu verbessern.
Tipp 1: Treiben Sie regelmäßig Sport und bringen Sie mehr Bewegung in Ihren Alltag
„Zum Zusammenhang von Sport und Covid-19 gibt es bisher keine fundierten wissenschaftlichen Studien. Klar ist aber: Ein regelmäßiges körperliches Training fördert die Fitness und die Abwehrkräfte und hilft somit, Infektionen besser zu überstehen. Das Infektionsrisiko wird durch Sport nicht verringert, aber der Verlauf ist bei einem fitten Patienten in der Regel milder als bei einem inaktiven Patienten. Deshalb sollten spätestens jetzt auch diejenigen trainieren, die bisher kaum oder gar nicht sportlich aktiv sind“, rät Dr. Milan Dinic, niedergelassener Internist, Kardiologe und Sportmediziner, im Rahmen des BKK Mobil Oil-Lauftreffs, der in München wegen Covid-19-Bestimmungen derzeit nicht wie sonst im Englischen Garten, sondern auf digitalem Weg stattfindet.
„Bewegung und Sport setzen im Körper das Hormon Adrenalin frei. Dies führt dazu, dass sich unsere Abwehrzellen schneller vermehren und wir mehr Widerstandskraft gegenüber schädlichen Zellen aufbauen“, führt Dr. Dinic Vorteile auf. Er empfiehlt moderates Ausdauertraining. Geeignet seien Sportarten wie Laufen, Walken oder Radfahren – am besten fünf Mal wöchentlich für 30 Minuten. „Für die Lunge ist das Training an der frischen Luft ideal, weil sie dort besser belüftet wird als in der Wohnung.“
Von zu intensivem Training rät er dagegen ab: „Damit schwächt man seine Abwehr vorübergehend. Denn nach einer sehr harten Belastung reagiert das Immunsystem des Körpers für mehrere Stunden bis hin zu zwei Tagen anfälliger auf Krankheitserreger (Open-Window-Effekt).“
Es muss aber gar nicht unbedingt Sport sein: Auch ein täglicher, zehnminütiger Spaziergang – zum Beispiel in der Mittagspause – wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus“, so der Münchner Mediziner. „Entscheidend ist, dass man zügig unterwegs ist. Dies kurbelt die Produktion der natürlichen Killerzellen an und trainiert das Herz-Kreislaufsystem und die Organe. Durch die Aufnahme von Sonnenstrahlen auf der Haut produziert unser Körper für das Immunsystem das dringend benötigte Vitamin D.“
Familien rät er zu täglichen, gemeinsamen Workouts, beispielsweise vor dem Abendessen, mit einfachen Übungen wie Hampelmann, Kniebeugen und Planks. „Es motiviert und macht Spaß, wenn das Training einen festen Platz im Alltag erhält und alle zusammen aktiv sind, auch wenn es nur wenige Minuten sind.“
Sehr wichtig: kein Sport bei Krankheitssymptomen! „Bei einem fieberhaften Infekt gilt absolutes Trainingsverbot“, mahnt der Kardiologe. „Schonen Sie sich und kurieren Sie sich vollständig aus. Wer zu früh wieder trainiert, riskiert eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis).“
Entwickeln Freizeitsportler nach einem positiven Covid-19-Test keine Symptome, sollten sie dennoch eine mindestens zweiwöchige Sportpause einlegen. Bei Symptomen wie Husten oder Fieber sollten sie zwei bis eher vier Wochen, bei einer Lungenentzündung mindestens vier Wochen auf ihr Training verzichten. Tritt eine Herzmuskelentzündung auf, sollte die Sportpause mindestens drei Monate andauern.
„Als Mediziner erlebe ich es immer wieder: Man kann eine Herzmuskelentzündung haben, ohne es zu spüren.“ Ein sportmedizinisch-kardiologischer Gesundheits-Check inklusive Herz- Ultraschall verschafft Gewissheit über die individuelle körperliche Belastbarkeit und eventuelle Risiken. Nach einer Covid-19-Infektion sollten Betroffene unbedingt ihre Sporttauglichkeit beim Arzt feststellen lassen bevor sie wieder ins Training einsteigen, mahnt Dr. Dinic, „auch wenn sie keine Symptome hatten.“
Ausdauersportler müssen nach einer Covid-19-Infektion damit rechnen, über längere Zeit in ihrer Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt zu sein. Dies hätten erste Untersuchungen in einigen Ländern gezeigt. Dr. Dinic rät nach einer Covid-19-Infektion zur Vorsicht: „Das Problem ist die systemische Entzündung der Gefäße – das bedeutet, das gefäßschützende Endothel wird befallen. Organe können nachhaltig geschädigt werden. Durch die Entzündung der Mikrogefäße erhöht sich auch das Risiko für Herz-Rhythmusstörungen und eine Herzmuskelentzündung.“
Betroffen seien vor allem Freizeit- und Leistungssportler, die sich nicht ausreichend erholen und zu schnell wieder trainieren. „Bei Belastung kann es dann zu Komplikationen kommen – von Herzschwäche bis zum plötzlichen Herztod. Covid-19 führt außerdem zu Gerinnungsstörungen im Blut. Dadurch können unter anderem Gerinnsel mit Lungenembolie, Herzinfarkt, Hirninfarkt oder ein Niereninfarkt entstehen. Ein Arzt kann nach einem umfassenden Sport-Check individuell sagen, welche Belastung wieder möglich ist und womit der Sportler noch warten sollte.“
Tipp 2: Schlafen Sie genug
Sieben Stunden Schlaf pro Nacht sind ideal für die Gesundheit – so das Ergebnis wissenschaftlicher Studien. Im Schlaf läuft unser Immunsystem zu Hochtouren auf: Unser Körper verstärkt die Ausschüttung natürlicher „Killerstoffe“. Die Abwehrkräfte werden so verbessert und Infektionen besser bekämpft. „Wer regelmäßig zu wenig schläft oder unter andauernden Ein- und Durchschlafstörungen leidet, hat ein höheres Risiko eines geschwächten Immunsystems. Andauernder Schlafmangel kann zudem Bluthochdruck begünstigen und Magen-Darm-Probleme verstärken“, informiert Dr. Dinic.
Tipp 3: Essen Sie immungesund und fördern Sie Ihre Darmflora
Unser Immunsystem hängt stark davon ab, wie wir uns ernähren. „Leider stehen bei vielen Familien Fertiggerichte und Fast Food hoch im Kurs. Laut „Ernährungsreport 2020“ kochen nur 39 Prozent der Deutschen jeden Tag“, informiert Dr. Dinic. Verarbeitete Lebensmittel enthalten häufig viel Zucker und zahlreiche chemische Zusatzstoffe, welche Entzündungsprozesse verstärken und das Immunsystem durcheinanderbringen. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit wertvollen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ermöglicht die Bildung neuer Immunzellen und beugt außerdem Entzündungen im Körper vor.
Obst und Gemüse liefern schützende Flavonoide. Besonders geeignet sind Zitrus- und Beerenfrüchte, Äpfel, Trauben und Sanddorn. Paprika, Grünkohl, Kartoffeln und Fenchel punkten bei Gemüse. Nüsse und Hülsenfrüchte liefern wichtiges pflanzliches Eiweiß – die Bausteine der Abwehr.
Etwa 80 Prozent der Immunzellen sind im Darm angesiedelt. Eine ballaststoffreiche Kost fördert somit die Darmgesundheit und unterstützt damit ebenfalls die körpereigene Abwehr. Haferflocken und Vollkornprodukte unterstützen den Darm bei der Sanierung der Darmschleimhaut. Probiotika aktivieren die Immunzellen im Darm. Enthalten sind sie zum Beispiel in Joghurt, Kefir, Buttermilch oder Sauerkraut.
Durch Heizungsluft trocknen unsere Schleimhäute aus. Dadurch ist die natürliche Barriere für Viren und Bakterien eingeschränkt. „Achten Sie darauf, viel zu trinken. So bleibt das Blut flüssig und kann alle Körperregionen optimal mit Vitalstoffen und Abwehrzellen versorgen“, so Dr. Dinic. Ideal seien zwei bis drei Liter Wasser oder ungesüßter Tee pro Tag.
Tipp 4: Bauen Sie Stress ab und sorgen Sie für Entspannung
Andauernder Stress und innere Unruhe beeinträchtigen unser Immunsystem und machen uns anfälliger für Infektionen. Bei chronischem Stress sinkt die Zahl der Immunzellen im Blut, die natürlichen Killerzellen sind weniger aktiv und die T-Lymphozyten (die Abwehrzellen) vermehren sich langsamer. Viren und Erreger haben somit leichteres Spiel.
Viele Untersuchungen belegen: Wer unter ständigem Stress steht, wird schneller krank und langsamer wieder gesund. Ob ein heißes Bad, ein gutes Buch, ein Telefonat mit einer Freundin, Yoga, Pilates, Atemtherapie, autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation: „Alles, was wir als entspannend empfinden, hilft uns, Stress abzubauen und unterstützt somit unsere Abwehrkräfte“, so Dr. Dinic.
Tipp 5: Wenn Sie Risikopatient sind, lassen Sie sich impfen
Eine gleichzeitige Infektion mit Covid-19 und einer Grippe, Pneumokokken oder Keuchhusten kann für Risikogruppen mitunter sehr gefährlich werden. Mit Impfungen gegen diese Krankheiten können Sie sich vor einer sogenannten Doppel-Infektion schützen.
Grippe
Gefährdet sind vor allem ältere Menschen ab 60 Jahren und Patienten mit Grunderkrankungen. Zusätzlich wird die Grippe-Impfung medizinischem Personal in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen sowie im Gesundheitswesen empfohlen, außerdem Schwangeren.
Keuchhusten
Starke Hustenanfälle sind typisch für diese Infektionskrankheit der Atemwege. Keuchhusten wird durch Bakterien verursacht. Wer durch eine Infektion mit dem Coronavirus schon geschwächt ist, dem kann eine Keuchhusten-Infektion noch mehr zusetzen. Dies gilt auch umgekehrt. Eine Impfung gegen Keuchhusten wird allen Erwachsenen empfohlen. Schwangere sollten ab der 28. Schwangerschaftswoche gegen Keuchhusten geimpft werden.
Pneumokokken
Schwere Lungenentzündungen und Blutvergiftungen können durch eine Pneumokokken-Infektion verursacht werden. Weil der Pneumokokken-Impfstoff in Deutschland derzeit nur eingeschränkt verfügbar ist, sollten sich aktuell vor allem Menschen impfen lassen, die ein besonders hohes Risiko haben, an Pneumokokken zu erkranken. Dazu zählen Kinder bis zwei Jahre sowie Frauen und Männer ab 60 Jahre, die in den vergangenen sechs Jahren nicht gegen Pneumokokken geimpft wurden. Impfen lassen sollten sich außerdem Menschen mit chronischen Erkrankungen der Lunge oder des Herzens, Diabetiker sowie Frauen und Männer mit bestimmten neurologischen Krankheiten.