Dr. Dinic im Münchner Merkur zu „Immunstark gegen Schnupfen & Co.“
Hätten Sie gewusst, dass man bei den ersten Anzeichen einer Erkältung auf Zucker, Weizen und Milchprodukte verzichten sollte? Oder welch stärkende Wirkung das Bürsten der Haut auf das Immunsystem hat? Gerade in den letzten Wochen dieses Corona-Winters ist es wichtig, die Abwehrkräfte noch einmal in Stellung zu bringen. Wie das geht, weiß der Münchner Internist, Kardiologe und Sportmediziner Dr. Milan Dinic. Er ist auch Experte für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und Vorstandsmitglied in der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur, Chirotherapie und Osteopathie e. V. Für die jahrtausendealte Heilkunst der TCM gibt es an der Technischen Universität (TU) München sogar einen eigenen Master-Studiengang. Hier erklärt Ihnen Dr. Dinic einige unkonventionelle Wege, die Abwehrkräfte zu stärken – und einen aufkommenden Infekt auszubremsen.
Abwehrkräfte stärken
Bewegung: Körperliches Training setzt Adrenalin frei, stimuliert die natürlichen Killerzellen und fördert so die körpereigene Abwehr. Sport treiben bedeutet nicht, nie mehr eine Erkältung zu bekommen. „Aber Sie bauen eine Art Bonuskonto auf und werden mit Infekten wesentlich besser fertig, als Menschen, die viel sitzen und deshalb ein schwächeres Immunsystem haben.“ Treiben Sie mehrmals pro Woche moderaten Ausdauersport, der Ihnen Spaß macht – Laufen, Walken, Training auf dem Crosstrainer oder Ergometer zu Hause. „Nutzen Sie einfach jede Gelegenheit, um Bewegung in Ihren Alltag zu bringen“, rät Dr. Dinic.
Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht wie Liegestütze und Push-ups produzieren Myokine. Diese hormonähnlichen Botenstoffe haben u.a. eine Anti-Krebs-Wirkung und sie stimulieren das Immunsystem enorm. „Ich empfehle zwei Mal pro Woche 30 Minuten Kraftübungen. Übertreiben Sie es aber nicht.“ Überlastung setzt nämlich das Immunsystem außer Kraft: „Das sind die Patienten, die zwei Wochen nach Trainingsbeginn krank werden.“ Einsteiger sollten sich vorab vom Sportmediziner beraten lassen.
Ernährung: Vergessen Sie nie die Zentrale des Immunsystems: den Darm. Rund 80 Prozent unserer Immunzellen sind dort angesiedelt. „Ernähren Sie sich ballaststoffreich und nehmen Sie Probiotika zu sich. Das regt die Abwehrkräfte an.“
Im Schlaf – sieben Stunden sollten es schon sein – findet die Regeneration statt, Reparationszyklen laufen ab, das Immunsystem wird aufgebaut. Der Schlaf muss auch qualitativ hochwertig sein. „Wer zu wenig und unruhig schläft, erlebt negativen Stress und ist anfälliger für Infekte.“
Chronischer Stress vermindert natürliche Killerzellen im Körper. Die Folge: Sie werden schneller krank und langsamer gesund. 30 Minuten am Tag sollten nur Ihnen gehören. „Jede Form der Entspannung ist eine Wohltat für Ihre Seele und damit für Ihr Immunsystem.“
Open-Window-Phänomen nennen Mediziner die immunologische Lücke, die nach intensiven (sportlichen) Belastungen vermehrt auftreten. Nach dem Training sind Sie anfälliger. Der Tipp vom Profi: „Dieser Zustand kann je nach Fitnesszustand bis zu 48 Stunden andauern. Wenn Sie z.B. abends joggen waren, sollten Sie heiß duschen, sich warm halten, Proteine und Kohlenhydrate essen und sich Ruhe gönnen.“
Erste Anzeichen
„Jetzt sollten Sie schnell gegensteuern,“ rät Dr. Dinic. Erste Maßnahmen: Viel Ruhe, viel Schlaf und bloß keinen Stress. Viel trinken ist jetzt wichtig. Dr. Dinic empfiehlt Kräuter- und Ingwertee und speziell Hühnersuppe: Sie wirkt wie ein natürliches Antibiotikum und blockiert u.a. Neutrophile – Blutzellen, die bei Virusinfekten an Entzündungsprozessen beteiligt sind.
Ingwer zählt ebenfalls zu den Heilmitteln der TCM. „Er hat wärmende Eigenschaften, löst in den Körper eingedrungene Faktoren wie Wind oder Kälte, befreit und stärkt.“ Die TCM empfiehlt, ein wenig zu schwitzen. Weil Ingwer wärmt, sollte er bei Fieber und Magenproblemen nicht verzehrt werden. Frühstücken Sie warm und mit Getreide: z.B. Porridge mit Wasser und Trockenfrüchten. Weizen, Milchprodukte, Zucker, und (nicht gekochtes) Fleisch zählen im Sinne der Fünf-Elemente-Küche der TCM zu den Stoffen, die die innere Mitte belasten. „Nicht förderlich, wenn die Immunabwehr gerade einen Infekt bekämpft,“ so der Experte.
Bürsten Sie mehrmals am Tag Ihre Haut für mehrere Minuten. Dr. Dinic: „So trainieren Sie die Poren, dass sie sich schnell genug verschließen vor Wind, Kälte und Feuchtigkeit. Das Bürsten fördert die Durchblutung und hilft dem Stoffwechsel bei der Entgiftung.“
Wenn es Sie erwischt hat
Bei Fieber über 38 Grad empfiehlt Dr. Dinic, den Hausarzt aufzusuchen. „In Zeiten der Pandemie ist das sicherer.“ Bei Infekten ohne Fieber fördern die sanften Bewegungen des Tai chi die Entspannung, stärken das Immunsystem und die Regeneration.
Eine Sportpause verordnet der Arzt immer dann, wenn die Symptome unterhalb des Genicks gewandert sind: „Bei Schnupfen und Halskratzen darf man moderat trainieren, langsam Laufen oder Radfahren. Wenn sich Husten, Gliederschmerzen oder Fieber ab 38 Grad celsius einstellen, ist sofort Schluss damit.“ Das gilt auch, wenn der Ruhepuls zehn Schläge höher ist als normal.“ Fiebermessen sollten Sie morgens noch im Bett.
Achtung, Gefahr!
Ein zu früher Wiedereinstieg ins Training kann u. a. zu einer Herzmuskelentzündung führen, vereinzelt sogar zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und im schlimmsten Fall zum plötzlichen Herztod. Dabei gibt es aus Sicht des Kardiologen und Sportmediziners einen grundsätzlichen Unterschied zwischen gewöhnlichen Infekten und den unvorhersehbaren Folgen einer Covid-19-Erkrankung.
„Nach einem Infekt – beispielsweise der oberen Atemwege oder einem Magen-Darm-Infekt – sollten Sie erst wieder mit dem Sport beginnen, wenn Sie mindestens zwei Tage symptomfrei und wieder bei Kräften sind. Hatten Sie Fieber, sollten Sie mindestens vier Tage fieberfrei sein.“ Zudem kann der Arzt die Blutwerte bestimmen. Covid-19 dagegen verursacht eine systemische Entzündung der Gefäße. „Das Herz und andere Organe könnten unbemerkt und nachhaltig geschädigt worden sein.“ Dr. Dinic rät daher dringend: „Alle Sportler – selbst wenn sie keine Symptome hatten – sollten vor dem ersten Training unbedingt eine internistisch-sportkardiologische Untersuchung durchführen lassen.“ Dazu zählen z.B. EKG, Herz-Ultraschall, Belastungs-EKG, Stressecho, Lungenfunktion und Blutwerte.
Autorin: Dorita Plange, Münchner Merkur & tz, 17.02.2021